Menschenwürde des Pflegebedürftigen wichtiger als Finanzen der Pflegeversicherung
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen und dafür gesorgt, dass eine pflegebedürftige 93-jährige Frau nicht zum Opfer des Misstrauens zwischen Pflegekasse und „russischen“ Pflegediensten wird.
Der 93jährigen, vom „Medizinischen Dienst der Krankenversicherung“ (MDK) als vollständig pflegebedürftig eingestuften Patientin sollten notwendige Pflegeleistungen bis zur Entscheidung des Sozialgerichts Berlin in einem Streit um den Umfang der zu gewährenden Leistungen gestrichen werden. Gegen den entsprechenden Bescheid erhob die Betroffene Klage bei dem Sozialgericht Berlin. Der Rechtsstreit wurde vom Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 195 SO 878/16 ER geführt. Das Gericht teilte mit, dass zur Klärung medizinischen Gutachter hinzugezogen werden müssten und das Verfahren sich deshalb über einen längeren Zeitraum hinziehen werde. Den Eilantrag auf einstweilige Weiterführung der Pflegefinanzierung in der notwendigen, bisherigen Form wies das Sozialgericht ab.
Pflegeleistungen müssen weiter finanziert werden
Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin entschied nun das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 21.09.2016 zum Aktenzeichen L 15 SO 183/16 B ER, L 15 SO 187/16 zugunsten der Pflegebedürftigen. Weil keins der beteiligten Gerichte zeitnah eine Entscheidung in der Hauptsache zusagen konnte, hat das Landessozialgericht sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert und eine Folgenanalyse vorgenommen. Die Folge unterbleibender Pflegeleistungen für die betagte Pflegebedürftige ist immens. Ihre Gesundheit, ihre Menschenwürde und die Teilhabe am sozialen Leben stehen in Frage. Auf der Gegenseite geht es lediglich um mögliche finanzielle Einbußen.
Keine konkreten Zeichen für falsche Einschätzung der Pflegebedürftigkeit
Weil im vorliegenden Fall keine konkreten Anzeichen dafür vorlagen, dass der im März 2016 letztmalig vom MDK überprüfte Umfang der Pflegebedürftigkeit falsch ermittelt wurde oder abgesunken sein könnte, stellt es eine unzumutbare Härte dar, der Antragstellerin die notwendigen Pflegeleistungen vorzuenthalten. Die Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg stellten fest, dass das Sozialgericht Berlin dazu tendierte, Pflegediensten zu misstrauen, die in osteuropäischer, konkret russischer, Hand lagen. Ein solches lediglich durch das Aufdecken einiger Betrugsfälle von „Schwarzen Schafen“ der Branche genährter Verdacht kann nicht dazu führen, die Menschenwürde einer pflegebedürftigen Person auf unbestimmte Zeit zu verletzen.